Zwar ist Zukunft etwas, was uns in jedem Augenblick unseres Lebens begegnet und doch habe wir Menschen ritualisierte Zeiten, an denen wir uns mit besonderem Interesse mit dem befassen, was verborgen vor uns liegt. Der Jahreswechsel ist so eine Zeit. Dazu passend hat der bekannte Trendforscher Matthias Horx sein neues Buch Zukunft wagen geschrieben.
Es liest sich gut, wie bereits seine bisherigen Werke. Doch neu ist, dass Horx nun keine neuen Trends herausarbeitet, sondern die Person und ihr Umgang mit dem Unvorhergesehenen im Mittelpunkt stehen. Ich vermute genau das ist der Trend: Wir haben einen enormen Zuwachs an individueller Selbstverantwortung und Entscheidungsnotwendigkeit. Aus unserem Leben das Beste zu machen, ist eine tägliche Herausforderung geworden. Die Weichen sind nicht für Jahre oder gar Jahrzehnte in die gleiche Richtung gestellt: Berufe, familiäre Bindungen all das ist instabiler geworden und erfordert daher individuell flexibler reagieren zu können. Oder erscheint es uns nur so? Die individuelle Wahl der Erfahrung erhöht sich ständig. Das kann als Freiheit erlebt werde, oder als ständige Verunsicherung, Bedrohung, bis hin zur Angst. Beides ist abhängig vom „klugen Umgang mit dem Unbekannten“.
Horx schildert diese Thematik in mehreren Kapiteln. Er lässt uns als LeserInnen Einblick nehmen, wie sich Zukunft in seiner eigenen Vita entfaltete und wie wir sie als Vergangenheit in unsere Lebensgeschichte einbauen. Folgen Sie seinen Spuren, das Lesen lohnt.
In Zukunft wagen untersucht und diskutiert der Autor Antriebsmechanismen für persönliche uns gesellschaftliche Wirksamkeit: Utopien, unser Blick auf realen Wohlstand und der Wahrnehmung von deren baldigem Ende, die Faszination der Apokalypse um einige zu nennen. Er stellt das Spannungsfeld zwischen Effizienz und Effektivität (S.108) dar und motiviert sich auf diese neue Ebene der Vernetzung zu wagen, die sich in der Effektivität verbirgt. Das Denken und vor allem das Leben und Erleben muss sich dafür aus dem Modus der Linearität und Zielgerichtetheit zu einer weiteren Perspektive öffnen: der Wahrnehmung von Kreislaufsystemen und der gegenseitigen Abhängigkeit von Personen und Ressourcen. Das Zielerreichungsmuster der Effektivität ist daher eine intelligente Vernetzung. Gemeint sind die mittel- und langfristigen Konsequenzen, die sich bei einem zu engen Horizont zeitlicher und räumlicher Wahrnehmung, nicht unmittelbar erschließen.
Ebenso plädiert der Autor auf der Ebene der zwischenmenschlichen Beziehungen dafür, sich der gegenseitigen Abhängigkeiten (S.161) bewusst zu werden, um sie gestalten zu können. Sein Ziel geht immer wieder dahin eine größere Komplexität möglich und lebbar zu machen. Diese können wir durch eine Zunahme von Vertrauen in eine gelebte gegenseitige Verbindlichkeit erfahren.
Die Resilienz war ein Zukunftswort, das sich in den letzten Jahren immer mehr als ein zentrales zu entwickelndes Lebensprinzip zeigt. Aus der Werkstoff Technik kommend, hat Resilienz in das Gesundheitswesen und in die innerpsychische Stabilität, z.B. gegen belastende Umweltfaktoren, bereits Einzug gehalten. Zentrale Eigenschaften der Resilienz können als wirksame Faktoren auch in Unternehmen für Zukunftsfähigkeit sorgen (S.238). Komplexe vernetzte System brauchen Akteure, die selbst flexibel sein können, die mit Präsenz und Achtsamkeit auf die sich ständig wandelnden und verändern Innen- und Außenbedingungen antworten können. Das bedarf Menschen, denen das Neue nicht Angst macht und die zugleich das Bewährte nicht unüberlegt einer Idee des Neuen opfern. Das Thema ist die Mischung von Stabilität und Störungsfähigkeit eines Systems.
Wir als Menschen und die Welt um uns herum, die materielle, die soziale, die geistige, ist in einem ständigen Wandel. Um diesen Wandel zu Erleben und nicht nur zu Erdulden, bedarf es Vertrauen in den Lebensfluss. Die Lektüre von Zukunft wagen nährt durch Einsichten, Erkenntnisse und Fakten und lässt so das Vertrauen wachsen, die Komplexität des Lebens auch in Zukunft bewältigen zu können.
Verlag DVA, München 2013
ISBN:978-3-421-04444-0
Barbara Hofmann-Huber, Diplom-Psychologin, Partnerin im Coachingbüro und Leiterin des Frauenschwerpunkts
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