Sinnvoll erfolgreich - Sich selbst und andere führen, ein Buch für Führungskräfte
Hans-Georg Huber zeigt in seinem Buch „Sinnvoll erfolgreich“ wie Führungskräfte die Balance zwischen Sinn und Erfolg herstellen können

ein Interview mit Hans-Georg Huber von Anja Dilk für das Magazin changeX

Immer mehr Leute sind unzufrieden, weil der Erfolg keinen Sinn mehr beschert. Sie spüren, dass Geld und Status nicht ausreichen. Und betäuben das persönliche Unglück mit materiellem Reichtum. Diese sinnlos Erfolgreichen leben jedoch an ihren inneren Zielen und Bedürfnissen vorbei. Und ihre Gegenüber, die sinnvoll Erfolglosen, leben mit sich selbst zwar im Einklang, aber ihr Wirken hat keine Konsequenzen für die äußere Welt. Was tun? Eine Verbindung von Sinn und Erfolg herstellen. Innen und außen in Balance bringen. Für Unternehmen eine geradezu zwingende Aufgabenstellung. Denn der Faktor Mensch ist entscheidend, um gute Ergebnisse in einem Unternehmen zu erreichen.

Hans-Georg Huber ist Diplom-Psychologe mit einem Grundstudium in Betriebswirtschaft und gelernter Bankkaufmann. Der Gründer und Leiter des Coachingbüros Huber & Partner begleitet als Trainer und Coach seit vielen Jahren Entwicklungsprozesse in Wirtschaftsunternehmen und sozialen Institutionen und ist Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Familienunternehmen.

Herr Huber, die Unzufriedenheit in den Köpfen wächst. Viele Menschen hadern mit ihrer Arbeit und stürzen sich dennoch Hals über Kopf in den Job, um erfolgreich zu sein. Sie haben mit „Sinnvoll erfolgreich – Sich selbst und andere führen“ ein Buch geschrieben, in dem Sie die Frage stellen: Wie können wir sinnvoll erfolgreich sein. Wie sind Sie denn dem Dilemma auf die Spur gekommen?

Die Idee zum Buch hatte ich bereits vor mehr als zehn Jahren. Ich hatte den Eindruck, dass etwas grundlegend schief läuft. Als die New Economy langsam erwachte, liefen immer mehr Menschen mit Dollar-Zeichen durch die Gegend, schneller Erfolg war alles. In Deutschland hat lange Zeit wirtschaftlicher Erfolg das Lebensgefühl gesteigert. Seit einigen Jahren hat eine gewisse Wohlstandssättigung um sich gegriffen. Gleichzeitig sind wir an die Grenzen des Wachstums gekommen. Und auch wenn die Leute gierig nach Erfolg und Geldwaren, zeigte sich darunter schon die Brüchigkeit dieser Ziele:

Welche Befriedigung verschafft es, statt 200.000 Euro im Jahr 400.000 Euro zu verdienen? Geld und Status hörten auf, tragfähige Werte zu sein. Das ist mir in unzähligen Workshops und Seminaren immer wieder aufgefallen. Die Leute wurden immer unzufriedener, weil der Erfolg keinen Sinn mehr machte.

Was meinen Sie damit?

Wenn ich so sehr auf äußeren Erfolg orientiert bin, schneide ich mich von vielen inneren Ressourcen ab. Wenn plötzlich Status und Einkommen zum Fundament der Identität werden, entsteht eine spürbare Leere. Wenn ich in meinem Erfolgsstreben beispielsweise gegen meine inneren Werte verstoße, entsteht eine Pattsituation. Beide Richtungen neutralisieren sich gegenseitig. Wenn ich nicht in Kontakt mit meinem inneren Sinn bin, fällt es mir unheimlich schwer, etwas zu erreichen. Ich brenne aus. Es ist kein Zufall, dass es so viele Depressionen im Management gibt. Davon wollte aber lange Zeit niemand etwas hören. Noch vor einem Jahr, als ich bei einem großen Wirtschaftsverlag anklopfte, sagte mir der Cheflektor: „Ein wunderbares Buch. Aber die Leute wollen nichts über Sinn und Werte lesen. Sie möchten nicht hinterfragen, sondern Handlungsanweisungen haben.“ Schnelle Rezepte à la „Die zehn Schritte zum Erfolg“.

Warum haben wir die Freude an der Arbeit und unsere Lebenszufriedenheit verloren?

Viele Menschen fühlen sich zerrissen: Entweder sie machen Karriere, verzichten dafür weitgehend auf Wohlbefinden. Oder sie nehmen ihr persönliches Wohlbefinden ernst und müssen deshalb auf großen beruflichen Erfolg verzichten. Hinzu kommen die Bedingungen in den Unternehmen. Wo als vorrangiger Sinn des Wirtschaftens der Shareholder-Value und schnelle wirtschaftliche Ergebnisse stehen, geht das auf Kosten der Unternehmenskultur. Darüber dürfen sich Unternehmen nicht ausschließlich definieren, wenn sie dauerhaft erfolgreich sein wollen, weil sie sonst innerlich ausbluten. Wenn sie es aber tun, treiben sie Mitarbeiter in die Distanz. Die Arbeit wird immer mehr zum Job. Viele Mitarbeiter empfinden sich als Opfer dieser Umstände.

Das Buch für Führungskräfte - Sinnvoll erfolgreich
Huber / Metzger: Sinnvoll erfolgreich – Sich selbst und andere führen, Rowohlt und Prospero Verlag

Wieso haben wir in der Arbeitswelt die Teile der Persönlichkeit aus den Augen verloren, die nicht unmittelbaren Erfolg bringen?

Weil wir uns sehr einseitig auf schnellen Erfolg fokussieren. Es gibt ja die These: Wer erfolgreich sein will, muss ein Schwein sein. Das ist so natürlich Unsinn. Aber die Grundtendenz ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Natürlich halten wir alle Menschlichkeit abstrakt für ein hohes Gut. Aber Menschlichkeit ist nicht auf den ersten Blick zielführend. Deshalb ist sie für viele zweitrangig. Wenn für sie noch Platz ist auf dem Weg zum Erfolg, dann bringen wir sie auch noch unter. Wenn nicht, muss es auch ohne gehen.

Ist das zu kurz gedacht?

Ja, denn die Themen der Zukunft werden sehr komplex sein. Führungskräfte müssen vernetzt handeln können. Sie müssen Menschen motivieren und eine Umgebung schaffen können, in der diese gerne etwas leisten. Der Faktor Mensch ist entscheidend, um gute Ergebnisse in einem Unternehmen zu erreichen. Für all das sind die persönlichen Qualifikationen der Führungskräfte entscheidend, Fähigkeiten, die nicht für den schnellen Erfolg wichtig sind.

Doch de facto vernachlässigen Manager oft den Faktor Mensch. Trotz aller Lippenbekenntnisse spielt er im Unternehmensalltag eine Nebenrolle. Warum?

Führungskräfte unterschätzen ihn aus verschiedenen Gründen. Erstens ist es durchaus möglich, mit alten Methoden kurzfristig relativ gute Ergebnisse zu erzielen. Da Manager im Schnitt nur zwei Jahre lang in einer Position bleiben und dann den nächsten Karriereschritt machen, reicht das. Zweitens wissen die Chefs oft gar nicht, wie sie den Faktor Mensch aufschließen können. Sie sind hilflos.

Was muss geschehen, damit sich das ändert?

Erster Schritt: Ansetzen an der eigenen Person. Hinterfragen: Wie geht es mir, wie zufrieden bin ich wirklich? Natürlich gibt es viele Pflichtaufgaben im Arbeitsalltag. Wenn aber die Kürelemente zu wenige werden, wird es auf Dauer teuer für die Person und das Unternehmen. Wie ein Auto sollte sich ein Manager regelmäßig zur Inspektion schicken. Denn eine gute Führungskraft muss künftig mehr denn je eine starke Persönlichkeit haben und mit sich selber im inneren Gleichgewicht sein.

Zweitens: Die Bedingungen im Unternehmen müssen stimmen. Wenn es die Unternehmenskultur nicht ermöglicht, auch die persönlichen Werte umzusetzen, wird eine gute Führungskraft sich außerhalb ihr Aktionsfeld suchen.

Drittens: Durch Qualifizierung von Managern können sie auf diese neuen Herausforderungen vorbereitet werden – leider wird dabei der Fokus noch zu sehr auf die reine Vermittlung von Methoden gesetzt. Methoden wirken jedoch in erster Linie durch Haltung und Persönlichkeit. Ohne gleichzeitig an diesen Baustellen zu arbeiten, sind auch die besten Methoden nur aufgesetztes Verhalten.

Führungskräfte müssen die Mitarbeiter mitnehmen wollen, sie müssen die Kostbarkeit der Ressource Mensch erkennen und wissen, dass es ohne sie nicht geht. Sie sollten sich die Frage stellen: Was brauchen meine Leute, damit sie motiviert sind? Dazu gehört ein neues Rollenverständnis. Der Chef muss seinem Team auch dienen können. Natürlich müssen die Führungsleute gleichzeitig für einen Interessenausgleich zwischen Unternehmen, Shareholdern und Mitarbeitern sorgen. Wichtig ist, dass sie konstruktive Wege finden, um zu zeigen, dass ihnen die eigenen Leute trotzdem nicht egal sind.

Wenn dutzendweise entlassen wird, keine leichte Aufgabe …

… und deshalb müssen gute Führungskräfte die Dilemmata ihrer Position aushalten können. Wenn sie etwa einen Angestellten entlassen müssen, obwohl sie wissen, dass die Frau des Mitarbeiters gerade mit dem dritten Kind schwanger ist und er zudem vor einiger Zeit eine Eigentumswohnung gekauft hat. Es gibt Leute, die das aushalten und trotzdem menschlich und persönlich gut geeignet sind, aber wollen es häufig nicht machen oder kommen im Unternehmen nicht hoch. Andere, die es nicht können, spült die Unternehmenskultur immer wieder an verantwortliche Positionen. Da beißt sich das System selbst in den Schwanz.

Deshalb müssen wir lernen: Jeder hat in seinem Verantwortungsbereich die Möglichkeit, etwas zu tun. Wenn wir etwa als Mitarbeiter das Gefühl haben, unserem Erfolg geht jeder Sinn verloren, wir ackern bis zum Umfallen, müssen wir auch mal Nein sagen. Es ist sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse des Unternehmens besser, sich für ein konstruktives Gleichgewicht zu engagieren, als irgendwann mit einem Burn-out-Syndrom im Krankenhaus zu liegen.

Sie sagen, es sei essentiell, den Sinn des Erfolgs nicht aus dem Blick zu verlieren. Was aber verstehen Sie unter Sinn?

Zum einen geht es um die Verbindung von außen und innen: Was bedeutet äußerer Erfolg innerlich für mich? Fühle ich mich erfüllt? Zum anderen hat jeder Mensch seine tieferen Ziele, Visionen, vielleicht etwas im weitesten Sinne Spirituelles. Man muss da nicht zu hoch greifen. Doch es geht darum, sich diese Ziele und Bedürfnisse bewusst zu machen und Formen zu finden, sie zu verwirklichen, ansonsten lebt man bestenfalls ein sinnlos erfolgreiches Leben. Anders herum ist es bei den sinnvoll Erfolglosen. Auch sie gibt es. Sie leben mit sich selbst im Einklang, sind zufrieden, aber ihr Wirken hat keine Konsequenzen für die äußere Welt. Sinnlos erfolglose Menschen hingegen konsumieren das Leben, verhalten sich passiv, weder leisten sie einen wesentlichen Beitrag für die Gesellschaft, noch fühlen sie sich von irgendetwas erfüllt. Letztlich geht es um die Verbindung von Sinn und Erfolg, denn genau diese Menschen brauchen wir für die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft.

Wie finde ich diesen inneren Sinn?

Wir müssen die Wahrnehmung des eigenen Inneren schärfen. Was sind meine Träume und Werte? Oft merken wir leider erst, was uns wichtig ist, wenn wir es nicht mehr realisieren können. Doch letztlich ist es nie zu spät, noch etwas zu verändern.

Und doch schaffen es viele Menschen, gerade Führungskräfte in Unternehmen, nicht, aus der gehetzten Erfolgsspirale herauszufinden.

Es bleibt ein schwieriger Weg. Es ist Unsinn, wenn in Hunderten von Erfolgsbüchern so getan wird, als habe man plötzlich die neuen, schnellen Methoden entdeckt, mit denen alles viel einfacher geht. Für eine sinnvolle Entwicklung gibt es keine einfachen Kochrezepte und keine Fertiggerichte. Es hat sich im Grunde seit Jahrhunderten nichts daran geändert: Wenn wir Glück und Zufriedenheit suchen, brauchen wir Zeit, Engagement und die Bereitschaft, uns wirklich einzulassen. Das gilt für Menschen und Unternehmen gleichermaßen.

Der schweizerische Schriftsteller und Verleger Emil Oesch hat es einmal folgendermaßen ausgedrückt: „Zum Erfolg gibt es keinen Lift, man muss die Treppe benutzen.“

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