Ein Interview mit Barbara Hofmann-Huber im Lob-Magazin
Noch immer ist der Prozentsatz von Frauen in Führungspositionen gering. Das liegt zum einen an der viel zitierten „gläsernen Decke“ und zum anderen daran, dass viele Männer in den oberen Etagen lieber unter sich sind und gern „Gleichgesinnte“ um sich versammeln, die sie verstehen und von denen sie verstanden werden.
Es liegt aber auch an den Frauen, sagt Barbara Hofmann-Huber, Partnerin im Coachingbüro Huber & Partner. Seit über 25 Jahren begleitet die Diplom-Psychologin und Diplom-Pädagogin Frauen in Führungspositionen in persönlichen und professionellen Entwicklungsprozessen. LOB hat sich mit ihr über Selbstzweifel, Macht, das Spiel der Männer und ein neues Selbstbewusstsein für Frauen und insbesondere Mütter unterhalten.
Viele sind der Überzeugung: weiblich, jung, im gebärfähigen Alter – ein Jobwechsel oder gar eine Karriere sind unmöglich!
Das stimmt so nicht. Frauen sind verwöhnt oder ungeübt, insbesondere die jungen Frauen. In der Schule gehören die meisten von ihnen zu den Besseren. Sie haben gelernt, dass sie weiterkommen, wenn sie etwas leisten. Im Berufsleben gelten andere Regeln und die Konkurrenz ist härter. Dem standzuhalten ist schwierig. Hinzu kommt, dass es in der Natur der meisten Frauen liegt, an sich zu zweifeln. Wenn eine Frau die Stelle zu diesem Zeitpunkt will, ist es wichtig, das auch sehr klar und zielgerichtet zu kommunizieren.
Warum zweifeln so viele Frauen an dem, was sie leisten und können?
Frauen sind sehr auf ihr Gegenüber ausgerichtet. Sie sind darauf aus, Anerkennung von außen zu erfahren für das, was sie leisten, ohne explizit darauf hinweisen zu müssen. Sie wollen gelobt und wertgeschätzt werden. Männer ticken da anders. Sie prahlen gern mit ihren Leistungen. Sie machen sich damit sichtbar und bekommen so natürlich auch eher Anerkennung.
Es heißt immer, Frauen müssten doppelt so gut sein wie Männer. Wie sehen Sie das?
Meiner Meinung nach müssen Frauen nicht doppelt so gut, sondern in sich stabil sein. Wenn sie an sich selbst glauben und in ihre Fähigkeiten vertrauen, können sie erfolgreich sein. Wichtig ist es, dass sie präsent sind. Viele Frauen verlieren sich in Details. Besser ist es, Zeit darauf zu verwenden, sich und die eigenen Kompetenzen zu zeigen. Sie müssen lernen, im Team zu spielen und dem Trainer zu zeigen, dass ihre Performance gut und wichtig ist.
Warum ticken Männer so anders als Frauen?
Das hat ganz viel mit der Verantwortung für die Familienarbeit oder die Reproduktionsarbeit zu tun. Auf diese ist die Erziehung ausgerichtet, und sie zeigt sich in den klassischen Rollenmodellen. Es scheint, als ob viele Mädchen und Frauen diese Rollen einnehmen wollen. Nach wie vor spielen Mädchen eher die beziehungsorientierten Spiele. Sie lernen, andere Menschen in das Spiel mit einzubeziehen. Sie lernen zu koordinieren. Kurzfristige aber auch langfristige Ziele zu erreichen und so alle zufrieden zu stellen. Jungs spielen eher Spiele, in denen einer oder ein Team gewinnt. Sie lernen schon früh, sich mit anderen zu messen und bei Teamspielen zu zeigen, dass sie für das Team wichtig sind. Mädchen erweitern die eigenen Handlungsoptionen um bisher eher maskuline Elemente.
Wie ist es mit den Müttern? Wenn Frauen aus der Elternzeit zurückkehren, insbesondere dann, wenn sie längere Zeit ausschließlich für die Kinder da waren, hört man als Antwort auf die Frage: „Was haben Sie gemacht?“ oftmals von der Frau: „Nichts.“
Frauen müssen ein neues Selbstbewusstsein erlernen. Mütter in Elternzeit haben nicht „nichts“ getan. Ganz im Gegenteil. Sie haben einen Beitrag für die Gesellschaft geleistet. Das dürfen sie nicht verstecken. Wer ein Kind erzieht, erwirbt ganz nebenher unzählige Fähigkeiten. Angefangen bei Stressresistenz über Organisationsmanagement bis hin zu Führungskompetenz. Mütter müssen sich dies immer wieder vor Augen führen, denn diese Kompetenzen sind im Beruf gefragt.
Was empfehlen Sie einer solchen Mutter aber auch den Vätern für ein Bewerbungsgespräch?
Insbesondere für Frauen gilt: Spielen Sie das Spiel mit! Zeigen Sie keinerlei Selbstzweifel. Wenn Sie gefragt werden, ob Sie einen verantwortungsvollen Job mit der Familie vereinbaren können, sagen Sie: „Ja!“ Ohne Erklärung und Rechtfertigung, egal, ob Ihr Gegenüber Verständnis zeigt. Sie glauben an sich, dann kann Ihr Gesprächspartner das auch tun und Ihnen die Tätigkeit zutrauen. Zweifelt Ihr Gegenüber, verweisen Sie auf die Probezeit. Machen Sie aber auch klar, dass Sie davon überzeugt sind, die Probezeit zu bestehen. Frauen sind darauf trainiert, immer lieb und nett zu sein. Aber im Bewerbungsgespräch gelten andere Regeln. Viel wichtiger ist es hier, verbindlich, aufmerksam für die Anliegen des Gegenübers zu sein und bestimmt aufzutreten. Hilfreich ist es, wenn Eltern in Bewerbungsgesprächen klar machen, wie viel Kraft, Energie und Stabilität Kinder geben. Kinder werden aus dem beruflichen Blickwinkel als Last wahrgenommen. Sie sind in der Realität zugleich eine Ressource. Daher sollten wir nicht immer nur von den Problemen sprechen, die durch Kinder entstehen, sondern vielmehr den Fokus auf die positiven Seiten des Elternseins legen – auch in Bewerbungsgesprächen.
Wenn Frauen immer lieb und nett sind, wie Sie sagen, macht es das ihnen schwerer, den nächsten Schritt auf der Karriereleiter zu erklimmen?
Ganz sicher. Ja. Wer immer lieb und nett ist, wird nicht befördert. Die klassische Position einer Frau ist die der stellvertretenden Führungskraft. Dort ist viel Arbeit zu leisten, zum Beispiel Organisatorisches, Mitarbeitergespräche. In dieser Position ist die Frau aber wenig sichtbar und hat kaum Profilierungsmöglichkeiten. Diesen letzten Schritt hin zur vollen Verantwortung trauen sich viele Frauen dann doch nicht zu. Aber warum? Als Mutter hat sie sich doch auch getraut, ein Kind zu bekommen. Sie hat ganz ohne vorherige Ausbildung den Mut gefasst, ein kleines Lebewesen in die Welt zu setzen, für das sie viele Jahre lang die Verantwortung tragen wird. Dieses kleine Wesen kommt auf die Welt und ist darauf angewiesen, von der Mutter und auch vom Vater umsorgt zu werden. Warum traut sie sich dann nicht zu, die Verantwortung für erwachsene Menschen zu übernehmen?
Rita Forst, leitende Motorenentwicklerin bei Opel, sagte einmal in einem Interview auf die Frage nach ihrem Erfolgsgeheimnis: „Ich suche mir meine neue Aufgabe immer so aus, dass ich 50 Prozent dazu lernen muss.“ Frauen bringen von Natur aus Führungskompetenzen mit, weil sie sich für das soziale Miteinander verantwortlich fühlen. Männer müssen sich diese oftmals erst aneignen. Viele Männer haben gelernt, dass ihnen ein „Trainer“ sagt, wo ihr Platz ist und was sie machen sollen. Waren sie selbst in der Trainerposition, müssen sie als Führungskraft im Unternehmen lernen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu begleiten. Mit ihnen zu kommunizieren. Frauen haben das schon als Mädchen spielerisch gelernt. Solange die Kinder noch klein sind, sollte sich eine Frau allerdings gut überlegen, ob eine Karriere zu diesem Zeitpunkt mit der Familie vereinbar ist. Noch werden Frauen am Karrieremodell von Männern gemessen. Das heißt, dass sie viel Zeit für den Beruf aufwenden müssen. Sie sollten sich daher gut überlegen, wie viel Anwesenheit möglich ist.
Was ist mit den Frauen, die noch keine Kinder haben, aber im gebärfähigen Alter sind?
Wenn eine Frau Karriere machen möchte, dann sollte sie eine Führungsposition eingenommen haben, bevor das erste Kind zur Welt kommt. Dann kann sie sich nach der Geburt eher flexible Arbeitszeiten erlauben und darauf achten, in den entscheidenden Momenten anwesend zu sein. Wird sie nach den Plänen für die Zukunft gefragt, sollte sie mit Humor kontern. Am besten mit Aussagen wie: „Mein Plan für die Zukunft ist es, diese Stelle zu bekommen und sie auszufüllen.
Liegt es also ausschließlich an den Frauen selbst, dass sie keine Karriere machen?
Nein. Auch der geringe Stellenwert der Familie macht es schwer. In Deutschland haben wir das Götzenbild „Arbeit“. Das ist in anderen Ländern ganz anders. Schauen Sie mal in die skandinavischen Länder. Hier gibt es nicht diese Präsenzkultur, wie wir sie in Deutschland haben. Hier hat Familie einen viel höheren Wert. Ist beispielsweise in Schweden ein Mitarbeiter länger als bis 17:00 Uhr an seinem Arbeitsplatz, wird er gefragt, ob er zuhause Probleme hat. Geht in Deutschland ein Mitarbeiter bereits um 17:00 Uhr nach Hause, wird er gefragt, ob er Gleitzeit nimmt.
Mütter wollen für ihre Kinder da sein. Sie wollen Zeit mit ihnen verbringen. Solange wir aber noch diesem Anwesenheitsmythos anhängen, werden diese Mütter keine verantwortungsvollen Aufgaben bekommen. Für Frauen wäre eine Bezahlung nach Leistung ideal.
Ebenfalls ein Hindernis für Frauen ist die fehlende Durchlässigkeit. Die Deutschen haben ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Ganz anders als beispielsweise in den USA. Hier gilt die „hire and fire“-Mentalität. Das hat Nachteile, aber den ganz großen Vorteil, dass sich die Unternehmen viel mehr trauen. Unter anderem auch, eine mehrfache Mutter einzustellen.
Sind Sie für eine Frauenquote?
Ja! Es wird nur mit einer Frauenquote gelingen, Frauen in strategisch interessante Führungspositionen zu bekommen. Solange wir keine Quote einführen, werden Fach- und Führungskräfte außerhalb Deutschlands gesucht, und die Frauen bleiben in der Pipeline.
Und wie sieht es mit einer Quote für Mütter aus?
Nein, das halte ich für nicht zielführend. Das würde die Konkurrenz zwischen den Müttern und den Nicht-Müttern nur verhärten. Abgesehen davon, dass es viele Frauen gibt, die gerne Mutter geworden wären, es aber aus unterschiedlichen Gründen nicht geworden sind.
Welcher Weg führt aus den eigenen Selbstzweifeln?
Die tägliche Pflege des eigenen Selbstwertes. Frauen müssen für das, was sie leisten und für die vielen Facetten ihrer Verantwortung ein Bewusstsein entwickeln. Ich nenne das „ihr Silber polieren“. Das macht sie selbstbewusst und damit auch unabhängiger von der Bewertung durch andere. Es ist die Pflege eines Stolzes auf sich selbst und die Freude, das eigene Können zur Verfügung zu stellen.